Der beste Cognac den ich je getrunken habe!

Der beste Cognac den ich je getrunken habe!

Meine Augen werden größer. Ich bin nicht ganz in der Lage zu begreifen, was hier gerade passiert. Eine Tiefe und Komplexität in einem Ausmaß, wie ich sie in der Welt des Cognac noch nie erleben durfte. Nicht mal ansatzweise. Meine Worte verschwinden. Alles ist dem Moment gewidmet.
Du liest Der beste Cognac den ich je getrunken habe! 5 Minuten Weiter Zucker in Whisky & Rum durch Fassreifung

Um mein Wissen und meine Meinung weiterzugeben, verwende ich YouTube. Ich mache die Kamera an und rede einfach drauflos. 

Unvorbereitet und ungescriptet. 

Funktioniert auch gut. Soweit. 

Hat aber seine Grenzen. So richtig in die Tiefe zu gehen ist mir oft nicht möglich. Teilweise fallen mir kurz Begriffe nicht ein, oder ich vergesse einfach, gewisse Punkte zu erwähnen. Alles passiert spontan in meinem Kopf. Das macht es so authentisch.

Neben YouTube will ich mir jetzt aber auch die Schriftform zunutze machen. Oder, wie in diesem Fall von diesem Bericht, nutze ich das geschriebene Wort, um auch wirklich all meine Emotionen zu verarbeiten.

Ganz selten passiert es nämlich, dass ein Produkt mich wirklich sprachlos macht. Eine überwältigende Flut an Eindrücken, die ich erst verarbeiten muss. Momente, die alles verändern. Ein Video kann diesen besonderen Momenten nicht gerecht werden. Ich würde nur irgend etwas vor mich hin stammeln.

Einer dieser seltenen Momente hatte ich durch die GOTA (Grape of the Art) 1967er Abfüllung von Lheraud. Nicht nur der beste Cognac, den ich je trinken durfte, sondern dieser Tropfen hat mein komplettes Bild über den Weinbrand verändert.

Ich gebe es zu: Auch wenn ich gerne Cognac trinke, so bin ich dennoch von der Kategorie gelangweilt. Ich bin verblüfft über das Selbstbewusstsein der Franzosen, die ernsthaft glauben, dass Cognac die komplexeste und vielfältigste Spirituose der Welt ist. 

Wie absurd diese Aussage ist, zeigt nicht nur Rum als Kategorie - allein was alte Guyana Abfüllungen auf die Bühne schmettern, beendet direkt jegliche Diskussion. Skeptikern meiner Aussage empfehle ich mal einen 1988er Diamond, einen 1978er Skeldon oder einen 94er REV Enmore. 

Eben.

An dieser Stelle möchte ich einmal betonen: Ich bin wahrhaftig privilegiert, bei all den schönen Tropfen aus der Cognac-Welt, die ich probieren durfte. Ich war zu Gast bei den führenden Häusern der Kategorie und durfte unterschiedlichste Qualitäten genießen, wo jede einzelne Flasche mehrere tausend Euro kostet. Selbst in meiner eigenen Bar verfügen wir über die verschiedensten & großartigen Qualitäten. 

Warum ich dir das gerade sage? Meine Aussage und mein Urteil sind nicht leichtsinnig gefällt, sondern basieren auf 16 Jahren Verkostungserfahrung.

Doch es sollte sich alles verändern: Ich durfte die Qualitäten des Hauses Lheraud probieren. Als erstes den 1967er von Grape of the Art, abgefüllt in Fassstärke mit 46,0% VOL.

Ich führe das Glas an meine Nase und erlebe eine unglaubliche Tiefe. Holz neu definiert. Eine Reife, ohne überladen zu sein. Enorme Frucht in Form von getrockneter Aprikose und etwas Rosine. Anschließend verteilt sich dieser Nektar in meinem Mund. Alles wird still. Das perfekte Holz macht sich breit. Die beste Fassreifung, die ich je erleben durfte. Das Fass ist kraftvoll präsent, ohne irgendwie auszuufern. Weder zu jung noch zu alt. Weder grüne Noten noch modrig. Einfach vollkommen. Ich könnte hier noch lauter Nuancen dazudichten, die sich im Sekundentakt verändern und weiterentwickeln: Von Schokolade über milden Kaffee, bis hin zu Piment, Lebkuchen und Nelke. Die Aprikose wird mehr zur Trockenpflaume, ergänzt von Nuss. Kraftvoll, ohne dabei kräftig und kantig zu sein. 

Meine Augen werden größer. Ich bin nicht ganz in der Lage zu begreifen, was hier gerade passiert. Eine Tiefe und Komplexität in einem Ausmaß, wie ich sie in der Welt des Cognac noch nie erleben durfte. Nicht mal ansatzweise. Meine Worte verschwinden. Alles ist dem Moment gewidmet.

Nach einer Weile komme ich wieder zu mir. Ein Moment, so erfüllt von Schönheit, dass mir beinahe die Tränen kommen. Der schwer zu beschreibende Geschmack von Moschus und gereiftem Holz befindet sich auch nach Minuten noch in meinem Mund.

Wie ist das möglich? Wie konnte diese Qualität erzeugt werden? Vielleicht ein Jahrhundertfass und einfach reines Glück? Ich probiere den 1994er, abgefüllt von Lheraud selber. Mir wird bewusst: Wie immer handelt es sich eben nicht um Glück. Pures Können. Auch der 1994er ist brutal.

Meine Gedanken quälen mich. Dann werde ich wütend: Ich verstehe das Produkt nicht! Diese Aussage treffe ich ebenfalls nicht leichtsinnig: Mittlerweile habe ich fast alle wichtigen Geheimnisse der Spirituosenherstellung für gereifte Spirituosen gelüftet. Vor allem die Fassreifung habe ich in einer Tiefe erforscht, wie wenige vor mir.

Und dennoch stehe ich da und verstehe dieses Produkt nicht. 

Demut erfüllt mich.

Ich fühle mich auf einmal wieder zurück an den Anfang versetzt. Wie ein Grundschüler, der gerade erst anfängt und von einem großen Meister lernen darf. Etwas, was zuvor nur von großartigen Produzenten wie Georg Hiebl in mir ausgelöst wurde, als ich lernen durfte, wie er seine Williams Birne erzeugt.

Danke, dass ich durch Lheraud begreifen durfte, was Cognac wirklich bedeutet. Danke, dass ich eine weitere Vorstellung davon bekommen durfte, was alles möglich ist.

Wie Oliver von RumX so passend gesagt hat: "bewusstseinserweiternd".

GOTA Lheraud 1967
- 100/100 -

Region: Bons Bois (Cognac)
Rebsorte: Ugni Blanc Trauben
Alkoholgehalt: 46.0% (Fassstärke)
Destillation: Pot Still
Alter: 56 Jahre
Abgefüllt: 07/2023
Fass Nr. 15788 (feuchtes Lagerhaus)
Anzahl: 132 Flaschen


P.s.: Ich war so begeistert, dass ich Sascha von Armagnac.de gebeten habe, den Stoff von Lheraud zu besorgen. Wir haben ein paar Jahrgänge ausgewählt und daraus auch ein Set aus 4x 200ml zusammengestellt: Cognac Lheraud.

 

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