Zucker in Whisky & Rum durch Fassreifung

Zucker in Whisky & Rum durch Fassreifung

Ich wollte mal herausfinden, wie viel Zucker die Reifung in Holzfässern wirklich überträgt und ob es möglich ist, dadurch eine süßliche Spirituose zu erhalten. Also habe ich alle Holzsorten im Labor analysieren lassen, um dieses Thema ein für alle Mal klarzustellen.

Die Rum-Welt wird (teilweise zu Recht) oft von den Single Malt Whisky-Liebhabern kritisiert: Die Gesetze seien nicht klar und streng genug, und es wird einfach zu viel rumgepanscht. Von der Zuckerzugabe oder anderen Süßungsmitteln bis hin zu Aromastoffen.

Zucker dient in der Herstellung von Spirituosen als wahres Wundermittel - ist er doch letztendlich auch dafür verantwortlich, dass die Hefe durch dessen Konsum überhaupt erst Alkohol herstellen kann. Oftmals wird der Zucker aber vollständig vergoren und lässt sich sowieso bei der Destillation nicht übertragen. Er bleibt zurück mit anderen festen Bestandteilen, während die flüchtigen Komponenten sich neu verheiraten und unsere geliebten Destillate erzeugen.

Darüber hinaus hilft Zucker, die Wahrnehmung der Verbraucher zu manipulieren. Gezielt dosiert lässt sich die Spirituose „schönigen“: Sie wirkt auf oberflächliche Art hochwertiger, sauberer und in Kombination mit Fasslagerung reifer. Gerade für den ungeübten Gaumen wirkt das Produkt einfach besser. Auch bei destillierten Früchten lässt sich hier einiges verschlimmbessern.

Als Rumproduzent ist mir bewusst, dass in meiner Branche oft nachgeholfen wird. Schließlich ist es gemäß der europäischen Spirituosenverordnung sogar zulässig, dass das fertige Produkt bis zu 20g Zucker pro Liter enthalten darf und sich dennoch noch als „Rum“ bezeichnen darf:

Anhang I, Kategorie von Spirituosen, 1. Rum, f:
„Rum darf zur Abrundung des endgültigen Geschmacks des Erzeugnisses gesüßt werden. Das Fertigerzeugnis darf jedoch nicht mehr als 20 g süßende Erzeugnisse je Liter, ausgedrückt als Invertzucker, enthalten.“

Beim Whisky ist das aber anders:

Anhang I, Kategorie von Spirituosen, 2. Whisky oder Whiskey, d:
„Whisky oder Whiskey darf selbst zur Abrundung des Geschmacks weder gesüßt noch aromatisiert werden, noch andere Zusätze als zur Anpassung der Farbe verwendetes Zuckerkulör (E 150a) enthalten.“

Siehe die vollständige europäische Spirituosenverordnung hier:

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32019R0787

Soweit, so gut. Was mich aber stört: Diejenigen, die am lautesten schreien und den Rum so stark verurteilen, schwärmen im nächsten Satz oft von den legendären alten Abfüllungen aus der Whiskywelt. Die alten Macallan & Bowmore Abfüllungen lassen grüßen. Dabei wurde in der ach so strengen Whiskywelt früher enorm getrickst. Mit dem Einsatz von zum Beispiel „Paxarette“ wurde alles andere als zimperlich umgegangen. Vereinfacht dargestellt handelt es sich bei Paxarette um ein Konzentrat aus eingekochtem Traubenmost der Sorte Sancocho und Arrope, die bis auf ca. 30% ihres ursprünglichen Volumens reduziert werden. Danach werden die beiden Sorten verblendet und zum Gären gebracht. Anschließend wird dieser „Wein“ aufgesprittet und teilweise in Sherryfässern nachgereift. Bis ins Jahr 1989 war es durchaus üblich, Whisky mit Paxarette abzurunden.

Mit einer brutalen dunklen & tiefen Farbe gesegnet, erfreuen sich die Gaumen der Welt an der vollmundigen und komplexen Süße dieser alten Abfüllungen, die für viele als die legendärsten Tropfen aller Zeiten gesehen werden.

Neben den Abfüllungen von früher gibt es auch heute noch Whisky, der deutlich nach 1990 produziert wurde und dennoch eine enorme Süße aufzeigt, gesegnet von einer wunderschönen Vollmundigkeit. Das gleiche gilt für gewisse Rum-Sorten (oftmals Guyana zB), die ebenfalls erstaunlich süß sind, angeblich aber nicht gesüßt werden. Die Süße sei ausschließlich durch die Fassreifung entstanden, heißt es. Schließlich enthalte Holz auf natürliche Weise auch Zucker, und dieser würde von dem Destillat gelöst. Bis zu 3-5g Zucker pro Liter fertiges Produkt seien möglich. Das zumindest wird gerne behauptet. Ein zusätzliches Finish in Fässern, die ehemals eine Art süßen Wein enthalten haben - wie Sherry oder Port - könne für eine verstärkte Süßung sorgen.

Ist das so? Nachdem ich seit knapp 10 Jahren intensiv mit Fassreifung arbeite, wage ich das stark zu bezweifeln und habe dementsprechend argumentiert: Zur Reifung von schottischem Whisky werden in der Regel ehemalige Bourbon-Fässer verwendet. Diese Fässer (meistens aus amerikanischer Weißeiche) sind für 40-60 Jahre in Schottland im Einsatz. Für das Rechenbeispiel einigen wir uns auf folgendes: Das 190L Bourbon-Fass ist für 40 Jahre im Einsatz und wird viermal befüllt für je 10 Jahre mit 65% VOL. Zwar wird oft angegeben, dass 3-5 Gramm Zucker durch Fassreifung in das fertige Produkt gelangen können - dennoch wollen wir nicht so hoch pokern und einigen uns auf 2 Gramm Zucker pro Liter.

190L Fassinhalt x 4 Befüllungen = 760 Liter.
190L minus Angel Share über die 10 Jahre von 2% pro Jahr (was zu einer Konzentrierung der festen Bestandteile führt und somit den Zuckergehalt erhöht):
155,24 Liter pro Füllung.
155,24L x 4 Befüllungen = 620,97 Liter Whisky mit ca 60%VOL erhalten wir aus einem Fass während seiner Lebenszeit. (Aufgrund der hohen Feuchtigkeit sinkt in Schottland nämlich während der Fassreifung pauschal der Alkoholgehalt, während sich in sehr trockenen Gegenden die Alkoholkonzentration erhöht.)

Wenn unser Rechenbeispiel auf eine Abfüllung in Fassstärke mit 2 g Zucker pro Liter basieren würde, müsste das Fass insgesamt 1 kg und 241 Gramm Zucker abgeben.

Reduziert auf 40% VOL würden wir auf eine Gesamtmenge von 931,46 Litern Whisky kommen. Bei 2 g Zucker pro Liter müsste das Fass sogar 1 kg und 862,92 g Zucker abgeben. Also fast 2 kg! Und an dieser Stelle noch einmal die Erinnerung: Wir haben die mögliche Zuckermenge im Rechenbeispiel von 3-5 g pro Liter auf 2 g reduziert.

Das würde mich schon sehr stark wundern. Bedenkt man, dass ein feuchtes Bourbon-Fass ca. 50 kg wiegt.

Um hier aber Gewissheit zu haben, habe ich alle unterschiedlichen Holztypen ins Labor geschickt. Vor einer Weile habe ich nämlich ein Tastingset herausgebracht, namens „Fasssprache“. Ich wollte wissen, wie die Fassreifung ausfallen würde, wenn unterschiedliche Eichetypen oder sogar andere Holzsorten zum Einsatz kämen. Schließlich kennen wir alle amerikanische oder französische Eiche - teilweise auch mit irgendwelchen Vorbelegungen wie Sherry. Doch was ist zum Beispiel mit Walnuss oder Kastanie? Also ließ ich mir aus den unterschiedlichsten Holzarten je ein Fass bauen. Insgesamt 15 an der Zahl. Alle unter den gleichen Bedingungen: komplett neu und unbenutzt, 225 L Volumen, medium getoastet mit dem Feuer des eigenen Holzes.

Als Basis verwendete ich einen Rum aus Trinidad von der TDL Destillerie, welcher zuvor für 3 Jahre auf Trinidad in ehemaligen Bourbonfässern reifen durfte. Anschließend reifte der gleiche Basisrum für je 6 Monate in den unterschiedlichen Fässern, bei uns in Norddeutschland in unserer Fasshalle - ebenfalls unter gleichen Bedingungen.

Das Ergebnis ist ein Tastingset, wo der Kunde im Direktvergleich die unterschiedlichen Holzarten probieren kann und somit lernen kann, welches Holz, welchen Einfluss auf das Destillat hat. Der Küfer Markus Eder und ich begleiten dich per Video. Wir verkosten alles gemeinsam und klären alles zur Herkunft der Hölzer, chemische Zusammensetzung bis hin zur Verarbeitung der Fässer.

https://wagemut.com/products/fasssprache-tasting-set

Wo war ich? Genau: Genau dieses Set machte ich mir jetzt zu Nutze, um ein für alle Mal das Thema Holz & Zucker zu klären, indem ich von jedem Fass eine Probe ins Labor geschickt habe, um den Zuckergehalt auswerten zu lassen: 

Wie du anhand der Ergebnisse siehst: Abgesehen von Walnuss mit 0,6 g pro Liter, erzielt kein einziges Fass einen höheren Zuckerwert als 0,5 g pro Liter! Zucker nach Inversion ist die Summe aus Glucose, Fructose und Saccharose. Die einzelnen Bestandteile sind sogar so gering, dass diese nicht genau gemessen werden können, sondern nur in Summe auf 0,5 g pro Liter kommen.

Was noch dazu kommt: Beim Ausbrennen der Fässer karamellisiert ein Teil des Zuckers aus dem Holz, welcher sich im Fassinneren absetzt. Normalerweise werden Fässer vor ihrer Erstbefüllung gewässert, unter anderem damit sie sich vollsaugen und um sicherzustellen, dass sie dicht sind. Da Zucker wasserlöslich ist, wird dieser Zucker durch das Wasser herausgelöst und geht verloren. Wir haben sogar aus Geschmacksgründen auf die Wässerung verzichtet, wodurch unser Zuckergehalt höher ausfällt als bei einer regulären Befüllung. Hinzu kommt noch, dass der primäre Zuckeranteil in der ersten Zeit herausgelöst wird und bei älteren Fässern deutlich weniger abgibt.

Thema Sherry-Fässer & Co: Wenn das Fass vorher mit einem süßlichen Wein wie Sherry, Port etc. belegt wurde, übertragen wir natürlich etwas mehr Süße in das Destillat. Warum das aber dennoch nicht reicht, um diese süßen, vollmundigen Abfüllungen zu erzeugen, erkläre ich in naher Zukunft anhand eines umfangreichen Berichts über Sherry und dessen Fässer. Bei unserer Wagemut PX-Cask Abfüllung sind wir auch nur in der Lage, diese fruchtige Süße zu erzeugen, da wir über frische PX-Sherry-Fässer verfügen und immer etwas Sherry im Fass belassen.

Fazit: Auch wenn du davon ausgehen kannst, dass generell bei schottischem Whisky heutzutage nicht mehr gepfuscht wird und es grundsätzlich mit rechten Dingen vor sich geht, so haben wir hiermit das Argument widerlegt, dass bei den süßeren Qualitäten die Süße aus dem Holz stammt. Stattdessen wurde elegant nachgeholfen. Stört mich auch gar nicht - nur bitte ehrlich kommunizieren.

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