Trüffel kotzt mich an!

Trüffel kotzt mich an!

Bin gerade an einer Plakatwerbung vorbeigegangen. Eine große Burgerkette macht dort Werbung für den neuen Trüffel-Burger. Dieses Trüffel-Thema geht mir langsam gewaltig auf die Nerven.
Wir schreiben das Jahr 2008. Ich bin im zweiten Lehrjahr meiner Ausbildung zum Hotelfachmann. Mein Küchendirektor winkt mich aufgeregt in sein Büro – schließlich weiß er von meiner großen Liebe zu Geschmäckern & Gerüchen. Meine Begeisterung ist eine erfrischende Abwechslung für ihn, und so zeigt er mir bei jeder Gelegenheit coole Sachen.
Unter seinem Schreibtisch beginnt er, an einem Safe zu drehen – der Trüffel-Safe, wie ich lernen durfte.
Als er die Tür öffnet, explodiert eine unglaublich intensive Note in der Küche.
WOW! denke ich mir. Was ist denn das? Diese Intensität, ohne dabei penetrant zu sein, durfte ich in dieser Form vorher noch nie erleben!
Er zieht etwas hervor, eingewickelt in ein Tuch, und reicht mir das Paket.
Weißer Alba-Trüffel. Frisch eingetroffen aus dem Piemont.

Ich bin schockverliebt. Oft wurde diese wertvolle Knolle nicht in unserem Hotel verarbeitet – nur auf gezielten Kundenwunsch. Muss man sich schließlich leisten können.

Die Wertschätzung für das Aroma war wundervoll. Es herrschte Stille bei der Verarbeitung. Volle Konzentration und Hingabe.
"Ob ich auch mal kosten dürfte?", fragte ich meinen Küchenchef beim Anrichten. Habe vor versammelter Mannschaft einen ordentlichen Einlauf für diese naive Frage erhalten, inklusive vorgerechneter Kalkulation, warum dieses Stück um einiges teurer ist als mein Monatslohn … nur um dann nach Küchenschluss einen kleinen Teller gereicht zu bekommen mit den augenzwinkernden Worten, ich solle ihm so etwas doch nicht vor versammelter Mannschaft fragen.

Das schwer zu beschreibende Aroma ist unglaublich intensiv und gleichzeitig sehr elegant – was ich in dieser Extreme sehr faszinierend finde.
Versuche von Anderen, diesen Prachtpilz aromatisch mit Knoblauch zu vergleichen, werden von mir nur arrogant-verachtend abgetan.

Das war also meine erste Berührung mit Trüffel. Es war zu der Zeit auch noch kein Trend. Verwirrt probierte ich in der nächsten Zeit günstigere Qualitäten wie Frühlingstrüffel. Trüffelaromen und Trüffelchips machen sich breit. Meistens eher schlecht als recht stillt es dennoch oberflächlich ein gewisses Verlangen nach dieser Wunderknolle.
Ich beginne selbst zu experimentieren, kreiere eine gute Trüffelpasta und freue mich einen Keks.
Noch verwirrter war ich, als mir der erste Gin mit Trüffel gereicht wurde. Schmeckte nach Champignons aus der Dose und Kuhscheiße. Was für ’ne Plörre.
Gefühlt steht mittlerweile auf jeder Speisekarte irgendwas mit Trüffeln. Etwas Trüffelöl drübergewischt und schon geht das Gericht für 10 € mehr raus. Wenn man sogar noch etwas billigen Trüffel fürs Auge rüberraspelt, dann mindestens 20 € mehr … Durch das Trüffelaroma ist alles überaromatisiert und unausgewogen. Gute Küche geht anders.
Der Trend ist da, und der Trend wird bedient.
Spätestens jetzt, wo die freudigen Burgerketten einen auf Trüffel machen, ist der Zug komplett abgefahren.

Zurück zum Bewusstsein: Die Dinge sind oftmals aus dem Grund etwas Besonderes, weil sie eben nicht selbstverständlich sind. Weil wir sie nicht jeden Tag genießen können.
Ich liebe Desserts und Dinge wie Croissants. Könnte ich jeden Tag, gefühlt den ganzen Tag, essen. Aufgrund meiner Arbeitsleistung habe ich vor einem Jahr jedoch meine Ernährung umgestellt. Ernähre mich streng und diszipliniert. Das Spannende an der Sache: Dadurch esse ich nur noch sehr selten ein Pain au Chocolat. Vielleicht 1/20 im Vergleich zu früher.
Aber weißt du, was das Schöne ist? Sie bereiten mir mehr Freude als je zuvor.
Pures Bewusstsein. Pure Wertschätzung! Ich zelebriere es regelrecht. Gemeinsam mit meinem Freund Höper haben wir sogar einen Croissant-Moment, mit dem wir uns bei besonders guten Ergebnissen belohnen.

„Trüffel“ ist überall und hat dadurch seine Magie verloren, obwohl es in höchster Form eines der schönsten Dinge ist, die die sensorische Welt zu bieten hat.
Vielleicht gibt es dann nur 1–2 Mal im Leben die Möglichkeit, in diesen Genuss zu kommen, doch genau das sind die Momente, um die es geht. Momente, die die Seele berühren – und nicht verwässert von irgendeiner Möchtegern-Aroma-Illusion.
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